Motivationale Faktoren beim Lernen

Projekt im Seminar HP3 Lehren und Lernen

Wed Jan 13 2021

Das Erweiterte Kognitive Modell der Motivation

Wie entsteht Motivation? Es gibt verschiedene Theorien darüber, wie sich unser Willen zu handeln entwickelt.Erweitertes Kognitives Motivationsmodell, Heckhausen (1980)
Das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell (EKM) von Heckhausen (1980) beschreibt die Entstehung von Handlungsmotivation in Form eines Erwartung-Mal-Wert-Modell mit handlungspsychologischen Wurzeln. Es stellt also das Zusammenspiel von Erwartungen und Werten (hier Anreizen) auf den Prozess einer Handlung dar. Diese Handlung setzt sich zusammen aus der Situation als Ausgangspunkt, der Handlung als Reaktion auf diese Situation und dem Ergebnis der Handlung. Beim EKM unterscheidet Heckhausen zusätzlich noch die Folgen des Ergebnisses.

Entsprechend von Erwartungs-Mal-Wert Theorien bilden Erwartungen und Anreize die Motivation zur Ausführung dieser Handlungsepisode. Grundlegend folgt das Modell einer „Wenn-Dann“- Logik: Wenn die Anreize und meine Erwartungen groß genug sind, dann bin ich motiviert, die Handlung auszuführen.

Nehmen wir das Ganze einmal auseinander! Was für Erwartungen kann man an eine Handlungsepisode entwickeln?

Erwartungsebene

Im EKM lassen sich im Vergleich der Komponenten zueinander 3 Erwartungen ableiten:

Situations-Ergebnis-Erwartung: Inwiefern wird eine Situation zu einem bestimmten Ergebnis führen, wenn keine Handlung ausgeführt wird? Die Motivation zu handeln ist hier gering, wenn das gewünschte Ziel auch ohne Eingreifen erreicht wird.

Übung: Was können zum Beispiel Lehrpersonen tun, damit es nicht zu einer ungünstigen Ausprägung der Situation-Ergebnis-Erwartung kommt?

Lehrpersonen könnten...

Handlungs-Ergebnis-Erwartung: Mit welcher Wahrscheinlichkeit lässt sich die Situation durch eigenes Handeln so verändern, dass das gewünschte Ergebnis eintritt?

Übung: Was können zum Beispiel Lehrpersonen tun, damit es nicht zu einer ungünstigen Ausprägung der Handlungs-Ergebnis-Erwartung kommt?

Lehrpersonen könnten...

Ergebnis-Folge-Erwartung: Bringt das Ergebnis erwünschte Folgen mit sich?

Übung: Was können zum Beispiel Lehrpersonen tun, damit es nicht zu einer ungünstigen Ausprägung der Ergebnis-Folge-Erwartung kommt?

Lehrpersonen könnten...

Außerdem beeinflussen verschiedene Anreize die Erwartungen und somit die Motivation.

Anreizebene

Gegenstandsspezifische Anreize entstehen aus der Situation, zum Beispiel persönliches Interesse an einem Sachverhalt. Wenn ich ein Interesse an Geografie habe, reizt mich ein Quiz über Sportwagen wahrscheinlich weniger als eins über verschiedene Gebirge der Welt.

Tätigkeitsspezifische Anreize beziehen sich auf die Ausführung der Handlung. Das kann zum Beispiel Spaß oder Freude sein, oder aber auch Flow, also ein Aufgehen in der Arbeit. So lösen einige Menschen gerne Sudokus, einfach weil ihnen das Herumkniffeln Spaß macht. Es ist weniger ein Interesse an Zahlen als das Herausfinden der richtigen Kombinationen.

Die wichtigsten Anreize dieses Modells kann man als Anreize künftiger Binnenzustände bezeichnen, die sich aus den Folgen des Ergebnisses ergeben. Diese Folgen sind vor allem Selbstbewertung, Fremdbewertung oder materielle Belohnung. Um mehr Lesende für Kreuzworträtsel zu motivieren werben deswegen viele Zeitschriften mit Preisen oder Geld, wenn man ihre Kreuzworträtsel löst und das richtige Lösungswort einsendet. Aber vielen Menschen reicht auch einfach die Genugtuung, sich selbst oder anderen ihr breites Allgemeinwissen beweisen zu können.

Aus den Erwartungen und Anreizen als Faktoren lässt sich eine logische „Wenn, dann“-Struktur bilden.

Logischer Prozess des EKM:

S-E-Erwartung: Ist das Ergebnis durch die Situation bereits festgelegt?

ja nein

H-E-Erwartung: Kann ich das Ergebnis durch mein eigenes Handeln beeinflussen?

ja nein

Anreizkalkulation: Sind die Folgen des Ergebnisses wichtig genug?

ja nein

E-F-Erwartung: Zieht das Ergebnis auch die gewünschten Folgen mit sich?

ja nein

Ergebnis:

Wie kann man das EKM zur Motivationsförderung nutzen?

Motivationsförderung anhand der Erwartungen:

  • Können und Anforderungen passen
  • herausfordernde, aber erreichbare Ziele setzen (S-E-Erwartung)
  • kausale Autonomie ermöglichen (H-E-Erwartung)
  • direkte, unmittelbare Konsequenzen (E-F-Erwartung)

Auf Anreizebene:
Anreiz der Ergebnisfolgen (Selbst-, Fremdbewertung, Belohnung)

  • „Stolz auf eigene Tüchtigkeit“ fördern
  • transparente Bewertungskriterien
  • Festhalten der Ergebnisse

Tätigkeitsspezifische Anreize (Spaß, Aufgehen im Tun)

  • Vielfalt an Aktionsformen
  • klare Aufgabenstellungen und -verteilungen

Gegenstandsspezifische Anreize (Interesse, Interessantheit)

  • Anknüpfen an Interessen
  • mit interessanten Materialien und Aufgaben arbeiten

Selbstbewertungsmodell der Motivation nach Heckhausen (1972)

Leistungsmotivation

Nach Heckhausen (1965, S.604) wird Leistungsmotivation definiert als das Bestreben, die eigene Tüchtigkeit in all jenen Tätigkeiten zu steigern oder möglichst hochzuhalten, in denen man einen Gütemaßstab für verbindlich hält, und deren Ausführungen deshalb gelingen oder misslingen kann. Nach Gabler ergibt sich die Leistungsmotivation aus der Interaktion der Charakteristika einer Person, dem Leistungsmotiv und dem Anreiz für eine Situation.

Leistungsmotiv

Das Leistungsmotiv beschreibt unser Streben nach Erfolg bzw. das wiederkehrende Anliegen herausfordernde Aufgaben zu bewältigen. In diesem Motiv stehen sich die Tendenzen „Hoffnung auf Erfolg“ und „Furcht vor Misserfolg“ gegenüber. Weiterentwicklung und Selbstbekräftigung können gefördert werden.

Das Selbstbewertungsmodell nach Heckhausen

... besteht aus drei Prozesskomponenten, die ein sich selbst stabilisierendes System bilden.

  1. Zielsetzung
  2. Ursachenzuschreibung (Attribution)
  3. Selbstbewertung

Auf Grundlage dieser Prozesskomponenten kann man zwischen Personen mit dem Leistungsmotiv „Hoffnung auf Erfolg“ und Personen mit dem Leistungsmotiv „Furcht vor Misserfolg“ unterscheiden.

Erfolgszuversichtliche

… bearbeiten bevorzugt mittelschwere Aufgaben und setzten sich realistische Ziele. Bei erfolgreicher Bearbeitung attribuieren sie dies intrinsisch (z.B. auf die eigenen Fähigkeiten) und erleben meist ein Gefühl von Stolz. Misserfolge dagegen werden extrinsisch (z.B. Aufgabenschwierigkeit) attribuiert, ggf. können sie mit Gefühlen von Ärger oder Enttäuschung verbunden sein. Personen mit hoher Hoffnung auf Erfolg erleben jedoch in der Regel keine Hilflosigkeit bei Misserfolgen.

Bei der Selbstbewertung einer erfolgszuversichtlichen Person werden bei Erfolg das eigene Verhalten und dessen Konsequenzen als positiv eingeschätzt und fördern den Anreiz, auch zukünftig Erfolg zu haben bzw. das Streben nach Erfolg. Misserfolge werden weniger drastisch eingestuft.

Misserfolgsängstliche

… bearbeiten häufig, zu leichte oder zu schwere Aufgaben und setzen sich somit unrealistische Ziele. Ihr Attributionsmuster verhält sich entgegengesetzt zu dem der erfolgszuversichtlichen Personen. Das heißt, Erfolge werden extrinsisch (z.B. Glück) und Misserfolge intrinsisch (z.B. Fähigkeiten) attribuiert. Erfolge sind bei diesen Personen eher mit einem Gefühl der Gleichgültigkeit verbunden. Bei Misserfolgen fühlen sie eher Scham oder Resignation. Bei der Selbstbewertung einer misserfolgsängstlichen Person werden bei Misserfolg das eigene Verhalten und dessen Konsequenzen als negativ bewertet. Dies kann zu einer Verunsicherung führen, die auch die zukünftige Aufgabenauswahl und die Chancen Aufgaben erfolgreich zu bewältigen, beeinflusst.

quill

Motivationsförderung auf Basis des Selbstbewertungsmodells nach Heckhausen

Um die Motivation zu fördern muss laut Heckhausen auf allen drei Prozessebenen angesetzt werden. Auf lange Sicht sollte versucht werden, ein erfolgszuversichtliches Leistungsmotiv zu etablieren.

Realistische Zielsetzung

Wenn Lernende sich selbst Ziele setzen und anschließend eine Rückmeldung darüber bekommen, ob dieses Ziel für sie erreichbar ist oder nicht, kann dies zu einer realistischen Zielsetzung beitragen.

Günstige Attribution

Lehrende sollten durch ihre Kommentare Erfolge der Lernenden auf deren individuelle Faktoren (z.B. Fleiß) und Misserfolge auf variable (Situations-)Faktoren (z.B. Schwierigkeit der Aufgabe) zurückführen

Angemessene Selbstbewertung

Lernende sollten dazu angeregt werden Erfolge als Anlässe für Freude und Stolzerleben anzusehen und diese Emotionen bewusst wahrzunehmen. Bei Misserfolgen jedoch sollten sie nicht in negativen Emotionen verharren. Sie sollten lernen, dass eine Bewertung der Handlung keine Bewertung der eigenen Person ist. Außerdem sollten Lernende den Nutzen von Anstrengung wahrnehmen lernen

Anwendungsaufgaben: Wie kann mit Hilfe des Selbstbewertungsmodells nach Heckhausen Motivation langfristig gefördert werden?

Am Beispiel der Schule:

Eine Lehrerin möchte ihrer Matheklasse eine neue Aufgabe stellen. Um auf die individuellen Lernstände eingehen zu können, hat sie diese in drei verschiedenen Schwierigkeitsgraden vorbereitet.

„Bestimme die Masse aus Silber bestehende quadratische Pyramide bei a=5 cm; h=5 cm.

Leicht: Hier wird die Dichte von Silber mit 10,5 g/cm³, die Gleichung m=ρxV sowie das Volumen der Pyramide mit 42 cm³ vorgegeben.
Mittel: Hier wird die Dichte von Silber mit 10,5 g/cm³ vorgegeben und die Formel m=ρxV.
Schwer: Keine weiteren Angaben, die Dichte und zu verwendende Formeln müssen selbständig mit Hilfe des Tafelwerks herausgefunden werden.“

Welche Aufgaben würden erfolgszuversichtliche Lernende theoretisch wählen?

Antwort:

Erfolgszuversichtliche Lernende würden den Schwierigkeitsgrad wählen, der ihrem Leistungsniveau entspricht. D.h. sehr gute Lernende würden wahrscheinlich die schwere Aufgabe wählen.

Wie könnte man diese Aufgabe gestalten bzw. nutzen, um die Motivation langfristig zu fördern?

Auf Ebene der Zielsetzung:

Lernende fragen, welche Aufgabenschwierigkeit sie wählen würden und ihnen daraufhin eine Rückmeldung geben. („Ich denke, du schaffst auch die mittlere Schwierigkeit.“/ „Ich denke auch, dass das genau deinem aktuellen Leistungsstand entspricht.“/ „Versuch es vielleicht erst mal mit dem Niveau davor und beim nächsten Mal kannst du dich ja noch steigern.“ o.ä.)

Auf Ebene der Attribution:

Ich könnte zu den Lernenden hingehen, mir die Aufgabe anschauen und bei Misserfolg z.B. sagen „Das war aber auch eine sehr schwierige Aufgabe“ oder bei Erfolg „Da hast du dich aber wirklich angestrengt und konzentriert!

Auf Ebene der Selbstbewertung:

Bei meinem Gespräch über den Erfolg/Misserfolg kann ich direkt etwas sagen, dass eine positive Selbstbewertung fördert und was die Lernenden somit auf lange Sicht vielleicht in ihre Selbstbewertung übernehmen. Z.B. „Da kannst du wirklich stolz auf dich sein!“, „Mach dir nichts draus, das war nur eine Aufgabe!